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Am 27. Juli 1214 fand im nordostfranzösischen Bouvines, nahe der heutigen französisch-belgischen Grenze, eine Schlacht statt. Der Tag war ein Sonntag, an dem die Waffen eigentlich hätten schweigen müssen; aber der Zwang zu militärischer Entscheidung war stärker als das kirchliche Gebot. Unter vielen kriegerischen Auseinandersetzungen der Zeit ragt diese insofern hervor, als sie den ebenso vollständigen wie folgenreichen Sieg der einen Seite bringt, mit Konsequenz für die politische Situation in Gesamteuropa. Es standen einander zwei Herrscher gegenüber: König Philipp Il. August von Frankreich und der römisch-deutsche Kaiser Otto IV. Ottos Stellung war nicht unumstritten. Er stammte aus dem Geschlecht der Welfen, das sich mit dem anderen deutschen Herrschergeschlecht der Staufer in einem nun schon Jahrzehnte währenden Zwist befand; da es dabei auch um die Kaiserwürde ging, waren andere Länder mitbetroffen. Ottos Gegenkönig war der Staufer Friedrich, als zweiter seines Namens bald letzter glanzvoller Kaiser des Hochmittelalters, 1214 noch ein Halbwüchsiger.
Frankreichs König hatte sich die Unterstützung des Papstes gesichert, der wiederum Protektor des Staufers Friedrich war. Ottos Verbündeter war König Johann von England, Bruder von Richard Löwenherz; ihm gehörten auf dem Festland ausgedehnte Besitzungen, so die Normandie und das südwestfranzösische Aquitanien. Es handelte sich um familiäre Erbschaften, da, wie dargetan, seine Dynastie, die Plantagenets, ursprünglich aus Frankreich stammten. Die aristokratischen Verbündeten auf Seiten beider Könige verfochten ihrerseits eigene Besitzinteressen. Die königlichen Anführer selbst waren durch allerlei heiratspolitische Verquickungen miteinander mehr oder weniger verwandt.
Die Schlacht bei Bouvines ist durch den ausführlichen Bericht eines Chronisten, des Klerikers Wilhelm Breto, relativ genau beschrieben und liefert von daher ein gutes Beispiel für die Kriegstechnik der Zeit. Wilhelm stammte aus der Bretagne, daher sein Namenszusatz; er stand in Diensten des französischen Königs und vertrat literarisch dessen Standpunkt. Philipp wurde übrigens der militärische Sieger. Mittelalterliche Geschichtsschreibung geschieht gerne aus der Sicht der Erfolgreichen. Das Verfahren bleibt nicht auf das Mittelalter beschränkt.
Die beiden Heere waren fast gleich stark, wobei der deutsche König über die etwas größere Truppe gebot. Beide Heere untergliederten sich in Fußtruppen und Reiter. Die Kämpfer zu Pferde waren beweglicher, und ihr gesellschaftliches Ansehen war höher, da es sich bei ihnen fast ausschließlich um Adlige handelte, wiewohl vereinzelt auch Nichtadlige beritten waren. Die Reiter trugen volle Rüstung, also einen den gesamten Körper bedeckenden metallenen Schutz. Die Helme ließen lediglich einen Sehschlitz frei. Um sich identifizieren und, vor allem, die Zugehörigkeit zu einer der beiden Parteien kenntlich machen zu können, trug man außer einem Helmbusch einen Stoffüberwurf, der das eigene Wappen zeigte, doch der wurde im Kampfgetümmel rasch zerfetzt, zudem wurden unterlegenen Rittern gern die Rüstungen abgenommen von ihren Gegnern, die sie ihrerseits anlegten, so dass eine verlässliche Identifikation nur durch lauten Zuruf möglich war.
Irrtümer schloss das nicht gänzlich aus. Die Waffen der Reiter Waren Lanze und Schwert. Die Waffen der Fußtruppen waren außerdem noch Haken und Messer; mit den Haken zog man die Ritter von ihren Rössern, während die Messer dazu dienten, durch die Schlitze der Rüstung ins weiche Fleisch der Gegner zu stechen. Das Verfahren galt als wenig ehrenhaft, dafür war es erfolgreich, und das zählte am Ende mehr.
Die beiden Heere standen einander an einem kleinen Fluss gegenüber. Über mehrere Tage hin hatte man sich wechselseitig belauert. Es blieb da zunächst unentschieden, ob man sich einer Schlacht stellen würde oder stellen sollte. Nunmehr aber gab es kein Ausweichen mehr. Wilhelm Breto:
»Als Otto und die Seinen gewahrten, dass der König gegen alle Erwartungen zurückgekehrt war, hielten sie ganz bestürzt und von plötzlicher Angst ergriffen inne. Dann wandten sie sich nach rechts vom Wege ab, bewegten sich schräg nach Westen und verteilten sich so großzügig, dass sie das Feld weitgehend bedeckten. In einer schräg nach Norden geneigten Linie blieben sie so stehen, dass die Sonne, die an diesem Tag besonders heiß und glühend brannte, ihnen direkt in die Augen schien. Der König ordnete seine Haufen und dehnte sie gegenüber der feindlichen Front in einer nach Süden geneigten Linie über die Felder aus, derart, dass die Franzosen die Sonne im Rücken hatten. So wurden die Truppen hier wie dort in der gleichen Schlachtordnung aufgestellt.«
Nachdem derart die Positionen feststanden, kam es zu der unvermeidlichen ideologischen Zuwendung. Wilhelm Breto:
»Ehe die Feindseligkeiten eröffnet wurden, ermahnte der König seine Barone und seine Schar; und obgleich sie alle schon von ganzem Herzen fest entschlossen waren, ihre Sache gut zu machen, hielt er ihnen eine kurze Rede in folgenden Worten: ›Ihr Herren Barone und Ritter, wir haben unser ganzes Vertrauen und unsere ganze Hoffnung in Gott gesetzt. Otto und alle seine Leute sind vom Papst gebannt, weil sie als Feinde der Heiligen Kirche deren Sache zugrunde richten. Das Geld, das man ihnen zukommen ließ und mit dem man sie löhnt, stammt von den Tränen der Armen oder vom Raub an Klerikern und Kirchen. Wir aber sind Christen und pflegen den Brauch der Heiligen Kirche, und obwohl wir Sünder sind wie alle anderen Menschen, unterwerfen wir uns doch Gott und der Heiligen Kirche. Wir schützen und verteidigen sie nach bestem Vermögen, und darum vertrauen wir von ganzem Herzen auf das Erbarmen Gottes, der uns die Kraft geben wird, unsere Feinde, die auch seine Feinde sind, zu überwinden und zu siegen» Nachdem der König derart gesprochen hatte, baten die Barone und die Ritter um den Segen, und er betete mit erhobener Hand, damit der Segen des Herrn über sie käme. Es erschallten Glocken und Trompeten, alsdann stürmten die Franzosen mit großer und bewundernswerter Kühnheit gegen ihre Feinde« Man darf davon ausgehen, dass sich auf der Gegenseite just das gleiche Ritual begab. Chronist Wilhelm vergisst nicht zu erwähnen, dass auch er selber tapfer Psalmen gesungen habe, während die Waffen schon erhoben wurden. Zum Schlachtgeschehen notiert er dann: »Der erste Angriff ging nicht vom Standort des Königs aus, denn ehe die Leute seines Treffens oder die der Umgebung sich ins Getümmel stürzten, kämpften einige schon auf dem rechten Flügel, ohne dass der König davon Wusste. Die vorderste Front des Schlachthaufens der Franzosen erstreckte sich in einer Länge von tausendvierzig Schritt über das Feld. (...) Aber die Flandrer und die Deutschen, die vor Kampfbegierde brannten, fanden es höchst unwürdig, dass sie zuerst von Knechten und nicht von Rittern gefordert wurden. Darum geruhten sie nicht, sich vom Fleck zu bewegen, sondern erwarteten die Angreifer ...«
lm Folgenden schildert Wilhelm eine Reihe von Zweikämpfen. Ihre Summe erzählt stellvertretend das allgemeine Getümmel. »Nach drei Stunden neigt sich das Schlachtenglück erkennbar den Franzosen zu, Anführer des Gegners werden gefangen genommen oder sie flüchten« Dabei wird ihnen vom Chronisten durchaus Respekt bezeugt, wenn »die Ritter in Ottos Schlachtreihe allesamt von hervorragender Tapferkeit« sind; der König, also Philipp II. August, gerät einmal in äußerste Bedrängnis, der er nur mühsam entkommt.
Am Ende freilich ist die Niederlage des Welfen unverkennbar:
»Als sämtliche Ritter des gegnerischen Lagers tot, gefangen genommen oder durch Flucht entkommen waren und Ottos Schar das Schlachtfeld geräumt hatte, verblieben daselbst noch siebenhundert tapfere und kühne Fußknechte, die wie eine Mauer zur Verteidigung und zum Schutz gegen die Gewalt der Feinde vor ihren Leuten aufgestellt worden waren ...«
König Philipp August erkennt und bricht auch diesen Widerstand. Danach die Anweisung, »dass seine Leute die Flüchtenden nicht weiter als eine Meile verfolgten, denn das unbekannte Gelände war gefährlich, und die Nacht stand bevor; desgleichen wollte er verhindern, dass die Fürsten und die reichen Männer, die in seiner Gefangenschaft waren, durch irgendeinen Zufall entkämen oder trotz der Wachen mit Gewalt befreit oder entführt würden«
Der Franzosenkönig hat auf der ganzen Linie gesiegt. Die gefangenen Fürsten werden ihm sehr viel Lösegeld einbringen, er selbst hat seine Königsgüter in beträchtlichem Umfang erweitern können. Otto ist politisch entmachtet und zieht sich auf seine braunschweigischen Besitztümer zurück. Der französische und der englische König einigen sich in Verhandlungen, was Johann derart schwächen wird, dass er das Jahr darauf in die Magna Charta einwilligen muss. Philipp II. August ist seit hundert Jahren der erste Franzosenherrscher, der sich derart in den Mittelpunkt einer Schlacht stellt, um sie dann auch noch glanzvoll zu gewinnen; Bouvines gerät deswegen zu einer förmlichen Ikone des französischen Selbstbewusstseins und hält sich darin bis in unsere Tage.
Das macht: Höchstes gesellschaftliches Ansehen gewinnt ein Herr- scher des Hochmittelalters, wenn er Kriege führt und aus diesen Kriegen siegreich hervorgeht. Die Militarisierung des öffentlichen Lebens ist so beträchtlich wie die Idealisierung des Kampfes als Daseinsform.
Gewaltanwendung ist auch sonst die übliche Form, einen erlittenen Nachteil oder Schaden auszugleichen. Sie wird darin durch die bestehende Rechtsordnung gedeckt. Der entsprechende Begriff lautet Fehde, er benennt tätliche Feindseligkeiten wie auch Privatkriege zwischen Einzelpersonen oder Familien. Er beinhaltet zugleich einen weitgehenden Verzicht der staatlichen Ordnung auf ein wie auch immer geartetes Gewaltmonopol und, damit verbunden, zunächst auch auf die völlige Gerichtshoheit. Als sie dann besteht, bleibt die angeordnete tätliche Auseinandersetzung zwischen zwei Streitpartei- en, wir werden es sehen, weiterhin ein mögliches Instrument der Urteilsfindung und des Urteilsvollzugs.
Sieht man in der Fehde eine Urform des Krieges und nimmt die übrigen Formen der Gewaltanwendung wie Raub und Überfall hinzu, herrschte das gesamte Mittelalter hindurch eigentlich unentwegt Krieg (was das Mittelalter nicht von der Gegenwart unterscheidet). jedenfalls wird so verständlich, dass es Bestrebungen wie den Gottesfrieden gab, der wenigstens auf ein paar Tage im Jahr Gewaltanwendung und Blutvergießen ausschließen möchte - wenn es denn so geschieht.
Die Grenzen zwischen Privatfehden, kleineren Scharmützeln, regionalen Auseinandersetzungen und großen Kriegen sind allemal fließend. Dass Krieg und Kampfeslust zum selbstverständlichen Menschsein gehöre, bestimmte die weltliche Moral, die Erziehung, die Kunst und den Festbetrieb. Sämtliche sportiven Spiele waren direkte Ableitungen von oder direkte Trainingsvorbereitungen zu kriegerischem Tun. Am deutlichsten wird dies bei den öffentlichen Turnieren, von denen Walter Scott in ››lvanhoe« eines schildert. Solche Militanz widersprach fundamental dem Geist des Christentums mit seiner exemplarischen Friedfertigkeit. Wie ging ein solches Glaubensbekenntnis, an dem schließlich alle teilhatten, mit der fortwährenden Wehrhaftigkeit und bluttriefenden Streitlust des alltäglichen Lebens zusammen?
Es gab mehrere Möglichkeiten zur Vereinigung dieses eigentlich Unvereinbaren. Man berief sich auf Bibelsprüche wie jenen von Christus, dass er nicht gekommen sei, den Frieden zu bringen, sondern das Schwert. Der Apostel Paulus hatte in seinem 13. Römerbrief vorgegeben, dass die Obrigkeit von Gott sei und man ihren Anweisungen zu folgen habe, den kriegerischen mithin auch. So geschah dann, dass, wie in Bouvines, zusammen mit den Truppen selbstverständlich Geistliche auszogen, um die Waffen zu segnen und Gottes Hilfe für die eigene Mannschaft zu erbitten. Handelte es sich bei den Gegnern um Nichtchristen, was bei Slawen und Arabern zutraf, machte die theologische Rechtfertigung des Schlachtens wenig Beschwer, der Krieg bedeutete hier so etwas wie eine gewaltsame Missionierung zur höheren Ehre des Herrn. Was aber, wenn auf der Gegenseite gleichfalls Getaufte standen?
Man behalf sich, auch dies wird bei Wilhelm Breto kenntlich, indem man jenen Gegnern den Rang absprach und sich selbst zum Vollzieher von Gottes Willen erhob. Der verbale Aufwand dabei war erheblich. Neben wortgewaltigen Vergleichen mit Ungeheuern aus dem Tierreich oder finsteren Dämonen aus Hölle und Apokalypse bot sich das Klein- und Lächerlich machen des Feindes an. Die erhofften Effekte waren immer die gleichen. Der Feind sollte verunsichert, das eigene Gefolge sollte moralisch gestärkt werden. Auch, dass unmittelbar vor entscheidenden Schlachten der Herrscher vor seine Truppen trat und sie mit einer Rede ermutigte, geschah nicht nur im Fall des Franzosen Philipp Il. August.
Der Häufigkeit des Krieges entsprach die Vielfalt der verwendeten Waffen und Techniken. Ein wesentlicher Wandel hatte sich bereits im Frühmittelalter durch den zunehmenden Einsatz von Pferden ereignet, der Berittene war schneller und wendiger als der Kämpfer zu Fuß, seine erhöhte Position machte ihn sowohl optisch wie taktisch überlegen. Der Besitz eines Kampfrosses war von Unbemittelten nicht zu verlangen; entweder mussten sie sich ein Pferd leihen, mit dem Risiko, dass sie sich dabei verschuldeten, oder sie blieben bei den Fußtruppen. Besitz und Verwendung eines Kriegspferdes garantierten eine gesellschaftliche Besserstellung. Wie von selbst bildete sich als eine neue gesellschaftliche Elite die der milites, der bewaffneten Reiter, heraus.
Die allgemeine Kriegspflicht eines jeden Waffenfähigen blieb grundsätzlich bestehen; Herren, die in den Kampf zogen, i verpflichteten freie Bauern, die dadurch in bleibende Abhängigkeit gerieten. Angesichts der manchmal sehr langen Abwesenheiten konnte sich derlei freilich zu einem spürbaren Nach- teil für die Landwirtschaft auswachsen, von der unter anderem der Nachschub von Lebensmitteln für das Heer abhing, weswegen bald bloß noch ein Teil des bäuerlichen Personals zu den Waffen befohlen wurde.
Der Wert der Fußtruppen galt als vergleichsweise gering. Man wog einen Berittenen gegen zehn Fußkämpfer auf. Für bestimmte militärische Aktionen, etwa Belagerungen, blieben sie freilich unentbehrlich, ebenso für das Errichten von Befestigungen und Brücken. Die Mehrzahl der Fußtruppen hatte nur eine geringe militärische Ausbildung. Hinsichtlich ihrer Ausrüstung unterschied man nach Fernwaffen und Geräten für den Nahkampf.
Zu den Fernwaffen zählten: Lanze, Pfeil, Armbrustbolzen und der mit der Schleuder geworfene Stein. Die Reichweite von Schleudern lag bei 100 Metern, die von Pfeilen bei 200, die von Armbrustbolzen bei 400 Metern. Pfeilspitzen konnten vergiftet sein, man konnte Brandpfeile schießen. Geübte Schützen brachten es in der Minute auf sechs bis zwölf Pfeile. Berühmt und auch im Ausland entsprechend begehrt waren angelsächsische Bogenschützen.
Zu den Nahkampfwaffen zählten: Spieße, Schwerter, Messer, Keulen, Haken und Streitäxte. Die Präferenzen wechselten mit den Zeiten, und sie wechselten von einem Land zum anderen. Dem Selbstschutz diente der Helm, meist mit Nasenspange, dann ein Wams, zunächst aus Leder gefertigt und mit Metallapplikationen, dazu der Schild, der aus Holz, Leder oder Metall verfertigt war. Im Verlauf des späteren Hochmittelalters wurde dann, wie in Bouvines, bei den Reitern die Vollrüstung zur Regel.
Für die Belagerung verwendete man Rammböcke und große Stein- schleudern. Zum Schutz gegen die Waffen der Verteidiger, das waren, neben Lanzen, Steine und flüssiges Pech, dienten Belagerungstürme Die sicherste, wiewohl langwierigste Methode, eine Burg zu erobern, war die fortdauernde Belagerung. Es gibt Berichte, dass manche dieser Aktionen, erfolgreich oder nicht, bis zu einem Jahr Währten.
Je mehr das Kriegsgeschehen nach Spezialisten verlangte, desto mehr kamen Söldner in Gebrauch. Sie hatten den Vorzug, ausgebildete Kräfte zu sein; sie hatten den Nachteil, dass ihre Loyalität vergleichsweise gering blieb, da sie einzig um des Lohnes Willen kämpften und mit Rebellion drohten, wenn man sie nicht wie vereinbart entlohnte. Begehrt und recht zahlreich waren zu Zeiten die normannischen Söldner.
War ein König zum Krieg entschlossen, erließ er den Heerbann. Seine Herzöge hatten daraufhin Truppen zu stellen. Größe und Beweglichkeit der Heere fielen recht unterschiedlich aus, mitbestimmend waren immer auch Witterung und Jahreszeit. Der Winter fiel für die Kriegsführung aus, während der Hochsommer mit zu großer Hitze, mit Insektenplage und Infektionskrankheiten drohte. Als kriegsgünstige Jahreszeiten blieben deswegen das Frühjahr und der Herbst. Für Unterkunft und Verpflegung der Heere hatte im eigenen Herrschaftsbereich die Bevölkerung aufzukommen, wogegen im feindlichen Gelände marodiert wurde.
Das Kampfgeschehen selbst lief mit beträchtlicher Grausamkeit ab. Von Ritterlichkeit kaum eine Spur: Es wurde abgeschlachtet, das Betteln um Gnade von Seiten der Unterlegenen half in aller Regel nichts, denn Gefangene waren lästig und wurden deswegen umgehend getötet. Es sei denn, sie hatten einen hohen Rang und ließen deswegen ein gutes Lösegeld erhoffen.
Die Leichen der Feinde blieben auf den Schlachtfeldern liegen. Was die eigenen Toten anlangte, so wurde die Kampfstatt nach ihnen abgesucht, und man setzte sie bei, gewöhnlich an Ort und Stelle, nachdem der Geistliche nachträglich die Absolution erteilt hatte. Die Anlage der einschlägigen Friedhöfe, ohne dass man das Zynische solcher Handlungsweise erkannte, geschah manchmal schon vor dem eigentlichen Schlachtbeginn.
Die Truppen des Siegers durften drei Tage lang Beute machen. Darunter litt vor allem die Zivilbevölkerung des unterlegenen Landes: Sie wurde ebenfalls hingeschlachtet, die Frauen vergewaltigte man, die Kinder wurden fortgenommen und zu Sklaven gemacht. Das Besitztum, sofern nicht beweglich, fiel der Zerstörung anheim. Die Besiegten sollten so nachhaltig geschwächt und abgeschreckt sein, dass sie sich nicht gleich wieder erheben mochten.
Die Brutalität der Kriegsereignisse blieb, auch wo die Waffen und Werkzeuge sich änderten.
Berthold Schwarz, auch Bertholdus Niger genannt, war ein Mönch aus Freiburg im Breisgau. Er lebte um das Jahr 1330 und betrieb inständig das Geschäft der Alchemie. Er experimentierte mit Salpeter, Schwefel und weiteren Chemikalien; statt Gold herzustellen, erfand er vielmehr das Schießpulver. Angeblich soll die Kirche seine Entdeckung als Satanswerk betrachtet haben, was sie in einem höheren Sinne auch war, jedenfalls sei er, heißt es, im Jahre 1388 ihretwegen zum Tode verurteilt und hingerichtet worden.
Die Erfindung aber war in der Welt und würde sich bald als äußerst folgenreich erweisen; sie ermöglichte die Entwicklung, Herstellung und Anwendung von völlig neuen Waffen. Wurden gegen feindliche Befestigungen bis dahin Steinschleudern, Rammböcke und Brandpfeile eingesetzt, konnten jetzt Kanonen aufgefahren werden: gegossene Rohre, die Stein- oder Metallkugeln schossen; die Anwendung war viel leichter, die Wirkung viel nachhaltiger als bei früheren Maßnahmen. Etwas später kamen Handfeuerwaffen auf, als ein Ersatz für Pfeil, Bogen und Armbrust, und wiewohl die ersten Musketen mehr als unhandlich ausfielen, War auch hier die Treffsicherheit und Durchschlagskraft bald außerordentlich. Die neuen Waffen veränderten die gesamte Kriegsführung, was sich in voller Konsequenz freilich erst ausgangs des Mittelalters erweisen sollte. Man darf es auch so sagen; Der Beginn der europäischen Neuzeit wird gleichermaßen durch den Sieg der Reformation wie durch die verstärkte Hinwendung zur griechisch-römischen Antike wie durch die Aufkunft der Feuerwaffen markiert.